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Ein Papst gegen Pomp

Gegen zügellosen Kapitalismus und Luxus, für Umweltschutz und für den Dialog der Religionen: Zum Tod von Papst Franziskus (1936–2025)

Als Papst Franziskus 2014 Albanien besuchte, richtete er zwei Botschaften an die Welt. „Im Namen Gottes zu töten ist ein großes Sakrileg“, sagte er. Mit diesen Worten verurteilte das Oberhaupt der katholischen Kirche den Terrorismus islamischer Fanatiker, insbesondere in Syrien. 

Die zweite Botschaft lautete: Albanien könne, so der Papst, „ein Vorbild für viele Länder werden“, weil es ein Modell des Zusammenlebens zwischen Muslimen, Katholiken und Orthodoxen sei. Sein Besuch war sein erster in einem europäischen Land, nachdem er in das höchste Amt der katholischen Kirche gewählt worden war.

Franziskus war ein ungewöhnlicher Papst. „Was meinen Tod betrifft, habe ich eine sehr pragmatische Einstellung. Alles ist vorbereitet“, hatte er gesagt. Am Montag um 07:35 Uhr veröffentlichte der Vatikan die Todesnachricht: Der Stellvertreter Christi sei „in das Haus Gottes zurückgekehrt“. Es handelte sich wohl um einen Kompromiss zwischen göttlichen und irdischen Gesetzen: Am Ostermontag diese Welt zu verlassen, ist nicht jedem Papst möglich. Und keiner der 1.4 Milliarden Katholiken auf der Welt weiß das.

Franziskus war ungewöhnlich, weil er Luxus und Prunk nicht mochte. Sein Vorgänger Benedikt XVI. fiel mit seinen roten Papstschuhen nicht nur den Fotografen auf. „Der Karneval ist vorbei“, wurde Franziskus zitiert, als Vertreter des Vatikans versuchten, ihn nach der Wahl zu schmücken. Franziskus versuchte, ein volksnaher Mann zu bleiben. Nach seiner Wahl zum Papst rief er den Zeitungsverkäufer in Buenos Aires an und teilte ihm mit, dass er an seine bekannte Adresse in der argentinischen Hauptstadt keine Zeitungen mehr liefern könne. „Du weißt, was passiert ist.“ Was geschah, war ziemlich revolutionär: Jorge Mario Bergoglio, aufgewachsen in Flores, einem Stadtteil von Buenos Aires, war der erste Papst, der nicht aus Europa stammte. 

Für einen Papst war seine Biografie spektakulär. Er war ein großer Fußballfan und Mitglied des Fußballvereins Atlético San Lorenzo de Almagro (Buenos Aires). Bevor er sich ganz dem Dienst an Gott widmete, hatte er als Reinigungskraft in einer Sockenfabrik und als Türsteher in einem Nachtclub gearbeitet. „Ich hatte eine Freundin, ein süßes Mädchen“, sagte er später in seiner Rolle als Papst über seine frühen Jugendjahre, als er sich noch nicht für den kirchlichen Weg entschieden hatte. Seine Mutter wollte, dass er Medizin studiert. „Ich habe dich nicht angelogen. Ich studiere Medizin. Die Medizin der Seele“, antwortete er eines Tages.

Als er Papst wurde, wählte er den Namen Franziskus als Zeichen des Respekts für Franz von Assisi, einen Bettelmönch, der im Jahr 1206 die Stimme Jesu hörte: „Franziskus, geh und baue mein Haus wieder auf, das, wie du siehst, völlig zerstört ist.“

Im Vatikan weigerte sich der argentinische Papst, in einem teuren Auto zu reisen. Er erhielt einen „Renault 4“, Baujahr der 1980er Jahre. Nicht jedem Kardinal gefiel, dass der Papst auf allen Pomp verzichtete, den dieses Amt mit sich bringt. Manche bezeichneten ihn sogar als Kommunisten oder Marxisten. Er kritisierte den zügellosen Kapitalismus. „Diese Wirtschaft tötet“, schrieb er über die Exzesse der Finanzwelt – und wurde damit für viele Kritiker der unregulierten Globalisierung zum Helden. 

In Argentinien war Bergoglio ein Bewunderer und Unterstützer der Befreiungstheologie. Als er zum Papst gewählt wurde, warfen ihm einige vor, er habe es versäumt, die Opfer der argentinischen Militärdiktatur zu schützen. Der bekannte Theologe Leonardo Boff sagte: „Er rettete und versteckte viele Menschen, die von der Militärdiktatur verfolgt wurden.“

Der slowenische Kardinal Franz Rode, einer der konservativen Flügel der katholischen Kirche, kommentierte die Wahl von Franziskus mit den Worten: „Es wird eine Katastrophe.“ Er wusste, dass Bergoglio eine Abneigung gegen die starren Strukturen der katholischen Kirche hatte, gegen Korruption in ihren Reihen, gegen zahlreiche Missbräuche. Er warf den Kardinälen vor, an geistiger Alzheimer-Krankheit zu leiden, sich für „unsterblich“ und „unersetzlich“ zu halten, ein „Herz aus Stein“ zu haben und in „Narzissmus und Stolz“ isoliert zu sein.
Dieser Papst verbrachte seine ganze Zeit nicht mit Paragraphen, theoretischem Geschwafel und Bibelauslegungen. In der katholischen Kirche gibt es viele solcher Leute. Und solche Leute verunglimpften den Argentinier, indem sie ihm unterstellten, er sei kein Intellektueller. Das stimmte nicht. Er hatte Philosophie und Theologie studiert, liebte und kannte klassische Musik gut und las russische und deutsche Klassiker. 

Wie kein anderer Papst appellierte er an die Menschen, die Umwelt zu schützen. „Wer bin ich, dass ich urteilen könnte“, sagte er spontan, als er über Homosexuelle sprach. Aber auch in dieser Angelegenheit verteidigte er die Meinung der Kirche, dass „Homosexualität eine Sünde ist“. Er erlaubte Frauen nicht, Priester zu werden, doch während seines Pontifikats beförderte er viele Frauen in wichtige Positionen im Vatikan, reformierte (sanierte) die Vatikanbank, verbot der Kirche Geschäftsbeziehungen mit der Mafia und verschärfte die Gesetze gegen schweren sexuellen Missbrauch durch kirchliche Würdenträger. Diese Missbräuche haben maßgeblich dazu beigetragen, dass sich viele Menschen von der katholischen Kirche abgewandt haben. 

Für Papst Franziskus war der Dialog mit den Führern anderer Religionen oder Konfessionen wichtig. In Abu Dhabi unterzeichnete er eine Erklärung mit Ahmad al-Tayeb, einem sunnitischen Muslimführer. 2016 traf er in Kuba Kirill I. von der Russischen Kirche. Papst Franziskus versuchte im Ukraine-Krieg zu vermitteln, fand dabei aber nicht immer den richtigen Ton. Dafür wurde er kritisiert, da er sich laut Kritikern nicht eindeutig für die Ukraine einsetzte. Im Nahostkonflikt hat Papst Franziskus sowohl die Terroranschläge der Hamas als auch den Krieg Israels im Gazastreifen scharf kritisiert. Seine Botschaft war: Die Kirche ist ein „Feldlazarett“, um die Seelen der Menschen zu heilen. 

Eine ungeschriebene Regel besagt, dass die Kardinäle nach einem volksnahen Papst einen konservativen Papst wählen. Im Vatikan kursieren bereits viele Namen. Einer von ihnen wird in den kommenden Wochen vom Konklave ausgewählt. 

Ausnahmsweise werden die Trauerfeierlichkeiten für den Papst die Tagesordnung dominieren. Sein Wunsch war es, wie jeder Christ begraben zu werden, ohne übermäßigen Pomp und Prunk. 

In seinem Heimatland Argentinien wurde eine siebentägige Trauerzeit ausgerufen. Doch sein Verhältnis zum populistischen Präsidenten Javier Miel war angespannt. Im Wahlkampf 2023 beleidigte Milei den Papst, indem er ihn als „Vertreter des Bösen auf Erden“ und „einen Idioten, der die soziale Gerechtigkeit verteidigt“ bezeichnete. Der Papst vergab all dies, als Milei, inzwischen Präsident Argentiniens, den Vatikan besuchte.  
Jorge Mario Bergoglio war ein großzügiger Mann in einer Welt, die zunehmend von Zynikern, Populisten und Menschenfeinden beherrscht wurde. Er vergab ihnen und ignorierte sie, während er den jungen Leuten die Botschaft mitteilte: „Macht ein Theater.“